Vor zwei Wochen habe ich mich in einer Bar mit einer neuen Bekanntschaft unterhalten. Als es um das Thema Ernährung ohne Tierprodukte ging, bekam ich zu hören: "Dann darfst du ja garkeine Schokolade mehr essen..." - soweit, so normal, ich dachte, sie wollte darauf hinaus, dass fast alle Schokoladen Milch enthalten - "...wegen dem Rinderblut." Ich war erstmal baff, dass dieser Mythos bei manchen Leuten noch verbreitet ist, wir schlossen eine Wette um zwei Bier ab. Daheim suchte ich dann nach einem
Link, um zu beweisen, dass Schokolade kein Blut beigesetzt wird.
Bei der Recherche stieß ich auch auf die Seite von
Ritter, auf der unter dem Punkt "Schokoladenvorurteile" zu lesen ist:
Schokolade enthält Blut.
Nein tut sie nicht. Wir schwören es!
Und da fiel mir auf: Die Aussage, dass Milchschokolade kein separates Rinderblut beigesetzt wird, mag richtig sein; aber solange Muttermilch von Kühen in Schokolade gemischt wird, sollten doch normalerweise auch Blut und Eiter enthalten sein, so wie es bei Tiermilch eben der Fall ist.
Was der Konzern auf seiner Internetpräsenz so hoch und heilig schwört, scheint mir in der aktuellen Formulierung also höchstens eine Halbwahrheit zu sein.
Auf eine erste Anfrage per E-Mail zu diesem Thema bekam ich die Antwort, es gebe bei der Überprüfung der Keimzahlen für Milch in Deutschland Höchstwerte. "Eine Kuh mit Euterentzündung würde diese Grenzwerte überschreiten und die von ihr gewonnene Milch nicht in den Handel kommen."
Die Milchindustrie selbst widerlegt diese Aussage allerdings:
Verunreinigungen in der Muttermilch, verursacht hauptsächlich durch Eiter und Blut von entzündeten Eutern, werden in der kryptischen Fachsprache der professionellen Tierausbeuter mit dem Begriff "somatische Zellzahl" betitelt. Auf der
offiziellen Internetpräsenz der deutschen Milchindustrie ist zu lesen, dass der Zellgehalt der "Anlieferungsmilch" etwa alle zwei Wochen geprüft werden muss. Da die Anlieferungsmilch aber natürlich die Milch von unzähligen Kühen enthält, dürfte es nicht weiter ins Gewicht fallen, wenn das Blut einiger Mutterkühe mit Mastitis im Container schwimmt.
Noch interessanter ist aber: Bei wiederholtem Überschreiten des Grenzwertes wird nicht etwa, wie von Ritter anfänglich behauptet, die Milch nicht in den Handel gelangen; ganz im Gegenteil: es wird explizit angegeben, dass entsprechenden Landwirten einfach der Auszahlungspreis gekürzt wird.
Auch Kuhmilch, die selbst nach Ansicht der Tierausbeuter eine zu hohe somatische Zellzahl aufweist, gelangt also in Umlauf und wird auch noch günstiger verkauft.
Auf diese Widersprüche hingewiesen bekam ich nach etwa einer Woche die Antwort, man wolle sich telefonisch bei mir melden, um das Thema genauer besprechen zu können.
Heute bekam ich den Anruf von Ritter.
In der anfänglichen Stellungnahme ging die Dame am Telefon darauf ein, der Schwur beziehe sich nur auf das Gerücht, Schokolade werde Rinderblut beigefügt.
Auf die Thematik des wohl ohnehin vorhandenen Bluts in der hauseigenen Schokolade angesprochen, gestand man mir ein: "Wir haben dieses Fachwissen nicht. Das ist nicht unsere Kompetenz."
Außerdem eine sehr interessante Aussage mit zynischem Beigeschmack:
Nach Ansicht eines internen Gesprächspartners meines Telefonkontakts sei es wohl so, dass die Melkanlagen in der Massentierhaltung moderner seien, als solche von kleineren Ställen. Durch Mechanismen wie eine automatische Druckanpassung sei man deshalb der Auffassung, Kuhmuttermilch aus der Massentierhaltung könnte sogar "weniger davon enthalten als bei kleineren Höfen. Aber, nicht dass ich Massentierhaltung gut fände."
Ich fragte anschließend nach, ob man bei Ritter generell interessiert daran sei, die Aussage auf der eigenen Homepage entsprechend zu korrigieren oder zu ergänzen, sollte man bei Recherchen noch Genaueres dazu erfahren. Die Antwort fiel sehr zögerlich aus: auf jeden Fall sei man an dem Thema interessiert, deshalb ja auch der Anruf.
Bei der Gelegenheit habe ich natürlich auch noch einmal nach den in der Entwicklung befindlichen veganen Sorten von Ritter gefragt. Einen aktuelleren Status, als den vor einigen Monaten im
offiziellen Ritter-Blog kommunizierten, konnte ich leider nicht einholen. Geheim.
Bezüglich der Wette, um die es ursprünglich ging: ich werde wohl eins der zwei Biere abgeben.